Felix' Newsletter
13.05.25
Liebe Lesende,
an diesen 80. Jahrestag des Kriegsendes werde ich mich lange erinnern.
Morgens erzählte Iris Brilliant in unserem Podcast, wie sie Erbenden hilft, mit der Nazi-Vergangenheit ihres Geldes umzugehen. Nach genau einem Jahr “Das Neue Geben” unsere stärkste Episode, finde ich.
Mittags erklärt Bill Gates der New York Times, warum er die größte Stiftung der Welt viel früher schließt als geplant. Ich bin gleich am Telefon mit Medien, denn das ist keine Nachricht des Scheiterns, sondern ein Zeichen genau der Konsequenz im Umgang mit Dringlichkeit, über die ich wenige Stunden später den wichtigsten Vortrag meines Lebens halte.
Abends stehe ich auf der TEDxBerlin-Bühne (Video in ca. 4 Wochen). Ich habe mich wochenlang vorbereitet. Weil ich bei all den Veranstaltungen und Interviews zu meinem Buch noch nicht zufrieden damit war, wie verständlich ich eine einfache Botschaft mache: Wohlstand ist nicht das Problem, sondern seine Fesseln.
Und leider sind Stiftungen heute mehr Teil des Problems als der Lösung. Ein milliardenschweres Missverständnis. Davon handelt dieser Newsletter.
Und was ist noch passiert? Eine neue Bundesregierung, der ich für uns alle viel Erfolg wünsche, von der ich aber hinsichtlich meiner Themen nichts erwarte. Und ein neuer Papst. Nur da funktioniert die Ewigkeit noch.
Euer,
Felix
Eine Zahl, die im Kopf bleibt

2045
Stiftungen binden Vermögen an einen Zweck. Für immer. Dafür gibt es zwei mittelalterliche Wurzeln: In klösterlichen “Stiften” schützen Urkunden christliche Schätze, Manuskripte und Reliquien vor weltlichen Turbulenzen. Und Könige garantieren Kreuzrittern mit “Trusts”, dass ihr Hab und Gut auch über das Leben hinaus in der Familie bleibt.
Heute sind die beiden Wurzeln ineinander verwachsen - und zum Instrument von Finanzdienstleistern geworden, deren Auftrag und Anreiz dahin besteht, Geld zusammen zu halten und zu vermehren.
Wer Stiftungen als ein Instrument für Großzügigkeit versteht, sitzt einem historischen Missverständnis auf: Sie sind dafür da, Vermögen zu sichern. Nicht dazu, es für dringende Zwecke auszugeben. Das ist aber das, was immer mehr Menschen antreibt.
Der Stifter der weltgrößten Stiftung setzt dafür ein Signal. Schon 2045, mehrere Jahrzehnte früher als geplant, soll die Stiftung sein Vermögen ausgegeben haben. Weil die Kosten des Nichtstuns (und des Rückzugs der Regierungen) in der Entwicklungszusammenarbeit und globalen Gesundheit viel größer sind als jede Rendite. Weil es mehr Sinn macht, heute statt übermorgen zu geben.
Die Gates Foundation schüttet jetzt bereits etwa zehn Prozent ihres Vermögens pro Jahr aus. Wegen hoher Vermögenserträge (auch aus fossilen und anderen Anlagen) hätte es noch über 50 Jahre gebraucht, das Geld aufzubrauchen.
Jetzt hat der Gründer entschieden, sein gesamtes Restvermögen von ca. $200 Mrd einzubringen und das Geld noch während seines Lebens auszugeben statt dynastisch zu erhalten. Damit wächst die jährliche Ausschüttung um das vier- bis fünffache, auf weit mehr als $30 Mrd.
Der Vergleich zu deutschen Stiftungen ist frappierend: Aus ihren €100-200 Mrd Stiftungsvermögen werden kaum 1% jährlich an andere Organisationen ausgeschüttet. Weit weniger als die Kosten des Nichtstuns. Vermutlich geben sie mehr für die Verwaltung aus, genau weiß das angesichts der Datenlage niemand.
Was kann man daran ändern? Rechtlich einiges: Ein Ausschüttungsgebot, eine Umwandlungsmöglichkeit von Ewigkeits- in Verbrauchsvermögen, eine entsprechende Umkehrung der Besteuerung von Zustiftungen, Flexibilität beim Impact Investing - und natürlich eine Veröffentlichung der Finanzen. (Mehr dazu im Kapitel 10 meines Buches)
Werden andere Vermögende es Bill Gates nachmachen? Das ist sicher seine Hoffnung. Denn selbst mit diesen Reformen wäre es für das bereits in Ewigkeitsstiftungen gefesselte Vermögen zu spät. Aber das meiste Geld ist noch nicht gefesselt. Die meisten privaten Milliarden warten noch auf ein zeitgemäßes Sinnangebot.
Ich glaube, dafür ist es entscheidend, dass wir die Begriffsverwirrung um das Stiften beenden und zwischen Stiftungen als Vermögenserhaltungsinstrument und Stiftungen als Instrument des Gebens unterscheiden. Ein Rebranding. Dazu unten mehr.
Eine Person, die mich inspiriert

Mein Sohn
”Kannst Du mir etwas davon in meine Stiftung tun?”, fragte mein elfjähriger Sohn mich neulich, als wir darüber sprachen, dass ich ihm eine Anerkennung dafür geben wollte, weil er einen Abend lang bei einer bcause-Veranstaltung Pizza verteilt hatte.
Warum starten die meisten Menschen erst spät im Leben ihr Geben? Ich halte es eher mit der Reformpädagogik: Kinder können schon fast alles, das meiste verlernen sie unter Anleitung der Erwachsenen.
Natürlich ist sein Account nicht öffentlich. Ganz genau genommen gehört ihm die Stiftung ja auch nicht. Aber er erlebt etwas, das ich erst viel später im Leben gelernt habe: Es gibt das Geld für Süßes in der Tasche, das für die eigene Zukunft auf dem Konto und das für die Zukunft von uns allen - auf dem Stiftungskonto.
Wir lernen, dass man über Geld nicht spricht. Dabei ist Großzügigkeit ansteckend. Wenn man sie teilt. Deshalb haben wir die Premium-Funktionen von bcause jetzt für Menschen unter 25 kostenlos gemacht, auch aus der Erfahrung mit unseren Kindern heraus. Sie können ihr Guthaben verzinsen und ihre Freunde einladen mitzumachen.
Und noch eine Frage kommt jetzt von meinem Sohn häufiger: “Gibt es hier ein Haferkater?” In das Sozialunternehmen hat er aus seinem Stiftungskonto investiert, weil er die Mission gesunder Ernährung an Bahnhöfen unterstützt. Ein Vielfaches seines kleinen Investments haben wir schon dort verfuttert, jedesmal mit einem guten Gefühl.
Eine Idee zum Weiterdenken

Rebranding Philanthropy
Martin Krohs ist Erbe, Journalismus-Unternehmer, Investor (auch in bcause) und Philosoph (auch das verbindet uns). Im aktuellen “Philosophie Magazin” hat er einen klugen Artikel geschrieben, der mich inspiriert: In “Reale Beidheit” beschreibt er, wie wir uns von Eindeutigkeit verführen lassen, auch wo Vieldeutigkeit sinnvoller wäre. Um den schlimmsten Klimawandel zu verhindern, ist es sowohl richtig, den Konsum einzuschränken, als auch, in technologische Auswege zu investieren. Dennoch stehen sich beide Positionen im Diskurs unversöhnlich gegenüber. So blockiert sich unsere Gesellschaft.
Das erlebe ich auch im Umgang mit Vermögen. Die einen wollen verbieten, wie auch immer das aussehen soll (dazu mein Auftritt bei der ZDF-Show “13 Fragen” zum Thema “Darf es Milliardäre geben?”). Die anderen verkaufen Familienunternehmen und ihre Stiftungen als Ideal des Langfristdenkens.
Zwischen diesen Stühlen sitzt man unbequem und muss viel erklären, wie ich bei den vielen Veranstaltungen und Interviews zu meinem Buch erlebt habe.
Wir sollten die beiden Strategien wenigstens begrifflich auseinander halten. Beim “Stiften” geht es ums Erhalten von Vermögen. Das ist nur sinnvoll für Vermögensgegenstände, die es sich zu sichern lohnt: Kultur, Natur, vermutlich auch Daten. Wer Geld nutzen will, sollte eher vom “Geben” sprechen. Beides ist wichtig, es ist aber Zeit für ein Rebranding.
Wie wäre es mit “long term capital”? Oder “preservation funds”? Was denkt Ihr? Welche Werbeagentur möchte mit einer Idee Milliarden inspirieren? Wer kennt jemanden?