#14/25 Demokratiesorgen

Oct 14, 2025

Die Demokratie ist in Gefahr, darauf können sich fast alle einigen. Aber stimmt das? Und warum genau? Oder reicht schon das Gefühl, dass es so ist?

Liebe Lesende,

Die Demokratie ist in Gefahr, darauf können sich fast alle einigen. Aber stimmt das? Und warum genau? Oder reicht schon das Gefühl, dass es so ist? Mich hat ein Essay des Princeton-Professors Robert P. George beeindruckt, nach dem wir im “Age of Feelings” leben und die Suche nach der Wahrheit aufgeben, die als “Age of Reason” die Neuzeit von dem “Age of Faith” des Mittelalters trennt. Dann reicht schon die Diagnose zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung?

Neulich habe ich einige kluge Menschen zu einem privaten Dinner eingeladen und eine einfache Frage gestellt: “Was ist heute wirklich anders als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in unserem Leben?” Immerhin hat es in den letzten Jahrzehnten auch nicht an Krisen gemangelt. Die häufigste Antwort war natürlich AI, aber das scheint mir (noch) zu früh. Für den Soziologen Andreas Reckwitz liegt in seinem Essay “The West is Lost” die Erklärung im Ende des Zukunftsoptimismus und der Erfahrung des Verlusts an allen Fronten.

Das Ende des Versprechens “Wohlstand für alle” ist für Demokratien ein existenzielles Problem, und es macht das Verhältnis der Gesellschaft zu ihrem Vermögen und ihren Vermögenden zur zentralen Konfrontationslinie.

Das Neue Geben könnte einen wichtigen Beitrag leisten. Immerhin ist Philanthropie neben dem Markt und dem Staat der dritte Weg, Ressourcen zu verteilen. Und bcause ist für mich deshalb unerwartet auch zum Demokratieprojekt geworden (wie ich in zwei Keynotes im Oktober vor weiblichen Aufsichtsrätinnen und den deutschen Business Angels argumentieren durfte).

Das erkenne ich auch daran, wie viele User gerade politische Anliegen wie “Hamburg testet Grundeinkommen” (nach dem Volksentscheid geht die Arbeit weiter!) unterstützen. Viele finanzieren auf der Plattform auch neue politische Organisationen, und auch das Feld des unabhängigen Journalismus ist erfolgreicher als in der traditionellen Stiftungslandschaft. In meiner FO Foundation habe ich einige davon im aktuellen Schwerpunkt “Demokratie” gelistet.

Auch im Podcast Das Neue Geben widmen wir uns dem Thema. Zuerst mit dem Demokratie-Stifter Hans Schöpflin (s.u.), dann mit einer Sonder-Episode zu bcause und im November mit einer Gesprächspartnerin, die ein einzigartiges Experiment des Vermögensausgleichs an den Start bringt.


Aus dem “Herbst der Reformen” grüßt Euch herzlich

Felix


Eine Zahl, die im Kopf bleibt: 1/3

Eine andere Erklärung auf meine Frage oben geht mir nicht aus dem Sinn: Das zentrale Versprechen des Internet-Zeitalters hat sich als Illusion herausgestellt.

Als ich vor dreißig Jahren das erste Mal einen Browser öffnete, konnte plötzlich jeder mit einem Computer und einer Idee einen globalen Markt erobern. Nach Karl Marx sollte die Revolution des Proletariats die Produktionsmittel aus den Händen der Kapitalisten reißen und allen verfügbar machen. Das Internet hat die Instrumente für unternehmerischen Erfolg tatsächlich in die Hände von Milliarden Menschen gelegt.

Aber damit ist der Kapitalismus nicht überwunden, letztlich produzieren wir Monopolisten, die mittlerweile alle Startups (und damit unsere Daten) aufkaufen, die an ihren Märkten kratzen. Ein Drittel der Milliardenvermögen auf der Welt liegen bei Tech-Monopolisten.

Die hochprofitablen Medienplattformen schaden der Demokratie doppelt: Sie fragmentieren gesellschaftliche Kommunikation, und sie schaffen einen “winner takes all”-Markt, das genaue Gegenteil des Versprechens der Demokratisierung durch das Internet.

Übrigens: Die meisten dieser Vermögen kommen der Gesellschaft auch nicht auf dem Weg der Besteuerung zugute. In den USA werden 56% der Milliardärsvermögen nicht versteuert, und auch in Deutschland ist ein Großteil privater Vermögen in den vergangenen Jahren durch das Steuerschlupfloch - nein, das Steuer-Scheunentor der Familienstiftungen vor der Versteuerung geflohen (dazu “Der Deal mit der Erbschaftssteuer” in meiner Handelsblatt-Kolumne vom 11.9.).

Eine Person, die mich inspiriert: Hans Schöpflin

Von foodwatch zu Finanzwende, von Algorithmwatch zu HateAid, von JoinPolitics zu Correctiv und natürlich der Unterstützung für unabhängigen Journalismus - wo auch immer in den letzten Jahren aus aktivistischen Ideen erfolgreiche Organisationen und konstruktive Debatten wurden, haben im Hintergrund oft der Stifter Hans Schöpflin und sein Vorstand Tim Göbel gefördert. Nein, investiert, wie beide es formulieren. In einem ungewöhnlich offenen Gespräch erklären sie diese Geschichte zuerst aus dem Verlust und Wiederaufbau eines Vermögens, dann aus dem Tod eines Sohnes und dem Aufbau einer Stiftung für Drogenprävention. Und wir fragen, wie es mit der Schöpflin Stiftung weitergeht, wenn sie eines Tages ihren Stifter verliert.

Eine Idee zum Weiterdenken: Meine Demokratie-Liste

Warum Demokratie und unabhängiger Journalismus so eng miteinander verbunden sind, das ist mittlerweile fast allen klargeworden (Hörenswert dazu Episode 43 “Wie geht Journalismus unabhängig?” unseres Podcasts).

Folgende Organisationen halte ich aktuell für besonders wichtig, wenn es darum geht, neue Karrierewege in die Politik zu eröffnen, neue Öffentlichkeiten zu schaffen, Dialogräume zu verbinden oder neue Modelle des Journalismus zu fördern.

  1. Vereint für Demokratie - Der Fonds für kleine und große Projekte, aktuell rund um Rechtssicherheit und Resilienz, organisiert von Project Together und Partnern, verdoppelt von der Postcode Lotterie.

  2. Brand New Bundestag - Der Shooting Star unter den Graswurzelorganisationen, bringt parteiunabhängig neue Talente in die Parlamente. Der Gründer und Ashoka Fellow Maximilian Oehl war vor 15 Jahren in meinem Social Entrepreneurship-Kurs bei der Studienstiftung - mittlerweile inspiriert er (u.a. mit Buch “Brand New Bundestag”) die nächsten Changemaker.

  3. JoinPolitics - Training und Vernetzung für politisch Engagierte, gegründet von Ashoka Fellow Caroline Weimann. Lesenswert ihr Buch “Die Politik von Morgen”.

  4. Ehrentag - Die Initiative des Bundespräsidenten, den 23. Mai (Geburtstag des GG) mit einem Mitmachtag für alle zu einer neuen bundesrepublikanischen Tradition zu machen. Spenden gehen an die umsetzende Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt. (Bei Interesse direkt bei mir melden)

  5. Hochschule für Gesellschaftsgestaltung (Siljas Räume) - Die beeindruckende Vision einer beeindruckenden Gründerin (zu Gast in Das Neue Geben #48): Ein Möglichkeitsraum für Veränderung. Dort hätte ich gern studiert.

  6. CORRECTIV - Die investigativen Journalist*innen hinter der Potsdam-Recherche zum “Geheimplan gegen Deutschland” der AfD, und vielen Themen von Steuerbetrug bis Parteienfinanzierung (zu Gast in Das Neue Geben #43).

  7. Reporter:innen-Preis - Das Forum für den besten Journalismus ist auch ein Fest für die Demokratie. Wir bei bcause unterstützen den Preis als unser eigenes Engagement - und wir freuen uns über Mitspenden!

  8. Pluralis - Journalismus als Investition auf bcause. Der Fonds beteiligt sich strategisch an Medienhäusern in ganz Europa und schützt sie damit vor Übernahme und politischer Beeinflussung. Und zahlt Erträge in die teilnehmenden bcause Accounts aus.


Foundations von bcause Nutzer*innen:

Axum Berhe “Zukunft Demokratie in Deutschland”, Luis Hanemann und Christian Vollmann “Gemeinsam für Demokratie”, Mo Ausumang Foundation uvm.

Welche Organisationen beeindrucken Euch gerade? Schreibt mir - oder fördert sie direkt über bcause, damit Euer Engagement auch andere inspiriert.


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