Felix' Newsletter
18.04.25
Liebe Lesende,
“It is the end of the world as we know it.” Der R.E.M.-Song von 1987 rattert ein Problem nach dem anderen herunter. In der Welt sozialer Organisationen wird das Ende derselben schon immer beschworen. Das hilft ja auch beim Fundraising.
Trotzdem fühlt es sich gerade anders an. Wo immer ich gerade spreche (aktuell auf meiner Buch-Tour), diskutiere (zB mit Handelsblatt) oder schreibe (zB auf LinkedIn), begegnen mir von Aktivisten für eine bessere Welt drei Rhetoriken, die es eher schwerer machen, Geld für gute Zwecke zu mobilisieren.
In diesem Newsletter geht es also nicht um noch einen Kommentar zur aktuellen Weltlage, sondern etwas philosophischer um Nullsummendenken, Polarisierung und Staatsgläubigkeit.
Aktuell die größte Hürde für finanzielle Entscheidungen ist aber vermutlich die Unsicherheit. Nach einer Woche mit den größten Ausschlägen an den Weltmärkten seit Jahrzehnten ist meine große Sorge, dass wir in eine noch tiefere Krise des Gebens rutschen.
Und aus solchen “Collective Action”-Problemen gibt es nur einen Weg heraus: Individuelles Handeln. Und das Reden darüber.
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Frohe Ostern, Felix
Eine Zahl, die im Kopf bleibt

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Trumps Zölle drücken eine Weltsicht aus, zu der ich etwas sagen möchte, denn ich erlebe sie zunehmend häufig: Wenn jemand anders mehr hat, habe ich dadurch weniger. Wenn Du nicht für mich bist, bist Du gegen mich.
Die Logik ist ansteckend einfach. Das macht sie aber nicht richtig. Denn es gibt in unserer Gesellschaft sehr wenig solche Nullsummenspiele. Fast immer gibt es Raum dafür, dass alle etwas gewinnen, wenn auch nicht immer gleich viel.
Vielleicht ist es ein Sprung, aber mich beschäftigt dieser Gedanke gerade im Diskurs über Wohlstand, den ich nun mit meinem Buch betreten habe. Warum ist die Empörung über Ungleichheit so viel leichter zu mobilisieren als die Diskussion darüber, was wir mit Vermögen tun können, damit wir als Gesellschaft gewinnen? (s.u.)
Wohlstand ist kein Nullsummenspiel. Wenn Einzelne mehr haben, gibt es nicht auf der anderen Seite Einzelne, die genau deshalb weniger haben. Das wäre wie die Trump-Sicht auf Handelsdefizite.
Beim Wohlstand können alle gewinnen, wenn er genutzt wird, um Probleme zu lösen, die man nur damit lösen kann.
Danke an Damien Cave für seinen NYT-Beitrag, der mich auf diese Spur gesetzt hat.
Eine Person, die mich inspiriert (heute: Bücher)

In den letzten Monaten sind eine Reihe von Büchern erschienen, die über Vermögen und Gesellschaft sprechen. Ich finde es richtig, dass diese Autor*innen die ungerechte Vermögensverteilung in den Blick nehmen. Für sie ist die Ungleichheit das zentrale Problem. Sie rufen nach Umverteilung durch den Staat (s.u.). Deshalb geht es letztlich immer um Steuern. Und damit um das, was andere tun sollen, und auch das erst, wenn alle es müssen. Und ganz egal, wie man dazu steht, spätestens seit den ersten Monaten der Trump-Präsidentschaft und dem Erscheinen des Koalitionsvertrags in Deutschland ist klar, dass sich hier in den nächsten Jahren (wieder) nichts bewegen wird.
Bei mir hinterlässt das genau die Leerstelle, um die es mir in meinem Buch geht: Was können wir jetzt schon tun?
Und dann gibt es noch die Begriffe. Da wird nicht nur der Reichtum als “crazy” oder ”toxisch” beschrieben, sondern die Reichen selbst (immer die anderen) als “gierig”, “zynisch”, Einwände gegen Umverteilung als “aberwitzig” oder ”naiv”. Philanthropie spielt keine Rolle, wird eher als systemstabilisierende Augenwischerei beschrieben. Und immer geht es um Milliardäre, nicht um den breiten Wohlstand der vielen in unserer Gesellschaft.
I hear you.
Ja, Ungleichheit ist ein Problem. ABER: Wir müssen sie nicht zuerst lösen, bevor wir alle anderen Probleme lösen. Zumal wenn wir in Zeitnot sind. UND: Wir müssen verstehen, was genau die Interessen (eher der Finanzdienstleister als der Vermögenseigentümer) sind, die bestimmen, wo und wie Geld wirkt.
Es gib da eine feine Linie zwischen konstruktivem und polarisierendem Diskurs. Wie bauen wir Brücken, über die diejenigen gehen können, die Ziel dieser Empörung sind?
Eine Idee zum Weiterdenken

Staatsgläubigkeit
Und dann kommt die große Frage, wer überhaupt Geld verteilen darf. Da geben die Umverteiler eine klare Antwort (nur der Staat), die aber ganz anders ist als die der meisten Empfängerorganisationen.
Auch das beschäftigt mich gerade - und ist das zweite Thema meines Buchs, zu dem es am meisten Diskussion gibt. Ich betrachte die Welt aus der Perspektive von Lösungen, die Geld brauchen: Startups mit sauberen Klimatechnologien, Hilfsorganisationen für Gewaltopfer, Fonds für investigativen Journalismus und politische Aktivisten. Alles Felder, in denen privates Geld entscheidend ist. Das ist eine andere Perspektive als die der Gerechtigkeit. Aber sie treffen sich da, wo die Zeit drängt, wo schnelle, unbürokratische und langfristige Gelder nötig sind.
Die deutsche Regierung hat sich zwar gerade fast eine Billion Euro von den nächsten Generationen von Steuerzahlern geliehen, wird sie aber vor alle für Mütterrente, Pendlerpauschale und Verteidigung ausgeben.
Am größten ist die Frage in der Entwicklungszusammenarbeit, die nach dem Rückzug des weltgrößten Regierungsprogramms USAID und Kürzungen vieler weiterer (auch der deutschen) Regierung vor einem Zusammenbruch steht. Hier hilft Staatsgläubigkeit nicht weiter, und wer sich wirklich für eine gerechtere Welt interessiert, muss überlegen, wie wir den Wohlstand unserer Welt neu programmieren statt weiter nur auf die Politik zu hoffen.
Über den Autor
Felix Oldenburg ist Impulsgeber im Bereich Social Entrepreneurship, Impact-Finanzierung und Online-Innovationen. Vor der Gründung von bcause war er Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen und Vorsitzender von DAFNE (Donors and Foundations Networks in Europe).
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