Fördern & Wirken
Entwicklungszusammenarbeit und Philanthropie neu gedacht: joyoountu zeigt neue Wege
Wie kann Entscheidungsmacht dorthin verlagert werden, wo globale Krisen die stärksten Auswirkungen haben? joyoountu zeigt, wie Shift the Power in Entwicklungszusammenarbeit und Philanthropie praktisch umgesetzt wird.
09.09.25
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9 Minuten
Gastbeitrag: Macht teilen, lokal gestalten: Wie wir bei joyoountu Shift the Power leben
Wie lässt sich Entscheidungsmacht dorthin verlagern, wo die Auswirkungen globaler Krisen am stärksten spürbar sind - und wo oft auch die besten Lösungen entstehen?
Genau das fordert die weltweite Bewegung Shift the Power: Entscheidungsmacht und Ressourcen verschieben - dorthin, wo Betroffene handeln und gestalten.
📚 Inhalt
Warum Entwicklungszusammenarbeit einen echten Wandel braucht
Was bedeutet Shift the Power konkret?
Was wir konkret anders machen
Wer wir sind
Warum Entwicklungszusammenarbeit einen echten Wandel braucht
In klassischen Strukturen von staatlicher Entwicklungszusammenarbeit und Philanthropie bleiben Macht und Geld oft im Globalen Norden konzentriert. Was finanziert wird, entscheiden oft Menschen, die mit den lokalen Gegebenheiten nur bedingt vertraut sind. Projekte, die von außen sinnvoll erscheinen, haben deshalb bessere Finanzierungschancen und es wird belohnt, sich an die Sprache und Logik des Globalen Nordens anzupassen.
Lokale Initiativen, die über Wissen, Kreativität und Netzwerke verfügen, aber nicht die Sprache der internationalen Zusammenarbeit sprechen, werden oftmals weniger gesehen und kaum in die Entscheidungen eingebunden, obwohl es um ihre Zukunft geht.
Trotz eines wachsenden Bewusstseins für diese Probleme, ist es nicht einfach Lösungen zu finden für Akteure sowohl der Entwicklungszusammenarbeit als auch der Philanthropie:
Staatliche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) hat den Anspruch, Partnerschaft auf Augenhöhe zu fördern und bindet Regierungen in Partnerländern in die Prioritätensetzung ein. In der Praxis bleibt sie jedoch oft in hierarchischen und kolonial geprägten Mustern verhaftet: Geberorganisationen bestimmen stark über die Ausgestaltung der Maßnahmen, enge Vorgaben schränken den Handlungsspielraum ein, und Kontrolle verläuft überwiegend vom Globalen Norden in den Globalen Süden. Berichtspflichten bestehen weiterhin fast ausschließlich in eine Richtung – vom Globalen Süden in den Globalen Norden.
Philanthropie möchte Gutes bewirken, stößt in der Praxis jedoch ebenfalls an Grenzen. Oft arbeitet sie mit Partnern zusammen, die im Globalen Norden sichtbar und etabliert sind. Dadurch bleiben lokale Akteur*innen, die vor Ort verwurzelt sind, durch Förderbedingungen außen vor. Hinzu kommt, dass die gängige Projektlogik meist kurzfristig angelegt ist und selten Organisationen selbst langfristig stärkt. Nicht zuletzt kann Philanthropie paternalistisch wirken, wenn externe Lösungen - auch mit den besten Absichten - vorgegeben werden, anstatt lokale Prioritäten in den Mittelpunkt zu stellen.
Die Mitgestaltung durch lokale Akteur*innen ist in beiden Fällen weiterhin oft sehr begrenzt.
joyoountu ist auf der Überzeugung gegründet, dass nachhaltiger Wandel nicht von außen verordnet werden kann. Nachhaltiger Wandel kann dann und dort entstehen, wo Menschen mit ihrem Wissen, ihrer Erfahrung und ihrer Selbstorganisation handeln.
Was bedeutet „Shift the Power“ konkret?
Shift the Power ist eine globale Bewegung, die Machtverhältnisse in Entwicklungszusammenarbeit und Philanthropie hinterfragt – und neu denkt.
Die wichtigsten Prinzipien:
Entscheidungsmacht verschieben - hin zu lokalen Akteur*innen, um deren Zukunft es geht.
Vertrauen statt Kontrolle - statt einseitiger Überwachung der Umsetzungspartner, gibt es eine geteilte Verantwortung für die Vorhaben und gegenseitige accountability
Partnerschaft auf Augenhöhe - lokales Wissen zählt.
Teilhabe und Transparenz stärken - im gesamten Prozess.
Die Shift the Power-Prinzipien können auch auf die individuelle Ebene von Spender*innen heruntergebrochen werden: Für den Bau einer Schule oder Gesundheitseinrichtung zu spenden ist konkret und der Nutzen ist einfach vorstellbar und deshalb weit verbreitet.
Es stellt sich aber die Frage: Bin ich wirklich in der Position zu bewerten, was lokal gebraucht wird? Entspricht dieses Projekt lokalen Prioritäten? Oder wird die Schule vorgeschlagen, weil sie den Spender*innen leichter zu vermitteln ist als andere Maßnahmen, die eine viel größere Wirkung haben könnten? Wäre ich auch bereit zu spenden, wenn die Menschen selbstbestimmt (in einem transparenten und nachvollziehbaren Prozess) zu einem späteren Zeitpunkt über die Nutzung des Geldes entscheiden und ich erst hinterher erfahre, wofür die Mittel konkret genutzt wurden?
Was wir konkret anders machen
joyoountu macht Machtverschiebung in der Praxis möglich. Unser Ziel: Entscheidungsräume für junge Aktivist*innen, indigene Gemeinschaften und lokale Organisationen zu öffnen. Shift the Power bringt beides zusammen, indem es Entscheidungsmöglichkeiten und Ressourcen dahin verschiebt, wo Menschen selbst gestalten.
Das bedeutet in der Praxis:
In lokalen Systemen arbeiten (sog. Ökosystemen): Wir fördern keine Einzelprojekte, sondern begleiten Communities bei der Entwicklung gemeinsamer Lösungen.
👉 Beispiel Nord-Benin: Jugendgruppen, Fraueninitiativen, Älteste und weitere wichtige Gruppen beraten gemeinsam über Wege für eine bessere Zukunft ihrer Gemeinden.
Entscheidungsräume öffnen: Wir schaffen die Möglichkeit für gemeinsames Nachdenken über Werte und Entscheidungsmechanismen, bevor über Mittel entschieden wird.
👉 In Nord-Benin inspiriert von Igbèru und Kawtal, traditionellen Formen kollektiver Entscheidungsfindung.
Partizipative Mittelvergabe: Entscheidungen über die Mittel treffen die Communities selbst.
👉 In Nord-Benin entscheiden lokale Akteur*innen wie Gelder beispielsweise für Friedensförderung und lokale Wirtschaftsförderung eingesetzt werden – nach den zuvor festgelegten Regeln.
Wissen teilen statt evaluieren: Wir bewerten die Fortschritte nicht von außen durch unabhängige Experten, sondern reflektieren Erfahrungen gemeinsam. Erkenntnisse werden dadurch sichtbar und nutzbar.
👉 Aus Nord-Benin dokumentieren wir, was das gemeinsame Entscheiden über Mittel stärkt und was nicht, und teilen dies mit Ökosystemen in Indien und Zentralamerika.
Initiativen folgen, nicht umgekehrt: Unsere Förderlogik richtet sich nach dem, was lokal gebraucht wird.
👉 In Nord-Benin bestehen eine Vielzahl beeindruckender Initiativen und Organisationen. Die Partizipative Mittelvergabe entscheidet, was mit den zusätzlichen Mitteln gefördert wird.
Gemeinsam gestalten: Wir gestalten neue Wege für Philanthropie und Entwicklungszusammenarbeit – gemeinsam
👉 Bei unserer bisherigen Arbeit in Nord-Benin entwickeln wir im Dialog mit lokalen Organisationen und Friedensaktivisten joyoountu jeden Tag ein Stückchen weiter. Gemeinsam wollen wir damit internationale Debatten inspirieren.
Wer über Ressourcen entscheidet, gestaltet Zukunft. Deshalb muss sich die Entscheidungsmacht verschieben - dauerhaft. Bei joyoountu verstehen wir Wandel als kollektiven Prozess, getragen von innen - mit offenen Ohren, offenem Herzen und offenem Ausgang.
Wer wir sind
joyoountu ist eine gemeinnützige Plattform, die Macht, Wissen und Ressourcen in Entwicklungszusammenarbeit und Philanthropie neu verteilt. Entstanden ist sie aus der Strategieberatung joyn-coop, getragen von der Überzeugung, dass wir Shift the Power erst selbst leben müssen, um dazu beitragen zu können.
Die in Gründung befindliche gGmbH hat ihren Sitz in München und wird künftig von einem unabhängigen Aufsichtsgremium im Sinne von Shift the Power begleitet. Dieses Gremium reflektiert unsere Arbeit kritisch und hält die Verbindung zu den lokalen Ökosystemen.
Die Organisationskultur ist achtsam, die Organisationsstruktur ist agil und schlank: ein kleines Team im Münchner Büro übernimmt Koordination und Fundraising, während Kolleg*innen in jedem Ökosystem die administrativen Anforderungen aus Deutschland begleiten. So bleibt die Verantwortung dort, wo die Entscheidungen getroffen werden - vor Ort in den Communities. Gemeinsam gestalten wir eine Kultur, in der wir alle beitragen können.
Getragen wird joyoountu von den wachsenden Ökosystemen in Benin, Indien, Guatemala und El Salvador, sowie zahlreichen Freiwilligen. Die Gründer*innen bringen Erfahrungen aus Beratung, Community-Arbeit, Finanzierung, Aktivismus und internationaler Zusammenarbeit mit. Sie eint die Erkenntnis: Nachhaltiger Wandel entsteht nicht durch externe Vorgaben, sondern durch gemeinsames Gestalten und Lernen.
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⚠️ Disclaimer: Wir machen keine Steuerberatung. Wir ersetzen keinen **zertifizierten Steuerberater*in. Alle Angaben ohne Gewähr.
Geschrieben von

joyoountu