Felix' Newsletter
14.02.25
Liebe*r Du,
ein Erdrutsch beginnt fast unmerklich. Dann gerät immer mehr in Bewegung. Bis es kracht.
Das politische Gefüge rutscht. Und wir sind vermutlich noch am Anfang.
Um uns herum und insbesondere in den USA stehen die Zeichen auf Abschottung, auf weniger Finanzierung für Entwicklung, der Konsens zum Klimawandel ist weg. Und vor der Bundestagswahl ist eines klar: Es wird nicht annähernd genug staatliche Mittel geben, um die Lösungen zu finanzieren, Reichensteuern hin oder her.
Erleben wir einen Rückzug des Staats in seiner Gestaltungsfähigkeit?
Für mich wäre das ein großes Umdenken. Aber vielleicht auch eine Chance: Auf eine neue Ehrlichkeit. Denn egal wie es politisch weitergeht - ohne mehr freiwilligen Einsatz von jedem Einzelnen, ohne mehr Unternehmertum, ohne mehr Zivilgesellschaft wird es nicht gehen.
Schlägt jetzt die Stunde des Gebens?
Euer,
Felix

Eine Zahl, die im Kopf bleibt

-7%
Vertrauen ist das Kapital der Politik. Gemessen daran ist der Staat in Deutschland kaum noch in der Lage, große Veränderungen zu gestalten - geschweige denn, seine Bevölkerung dabei mitzunehmen. Das jährliche Edelman Trust Barometer verzeichnet bei uns den größten Verlust von Vertrauen in die Regierung, sogar die Kombianer*innen trauen ihrem Staat mehr zu. Und viele autoritär regierte Staaten liegen weit vorn.
Wie können Gesellschaften wieder mehr Vertrauen aufbauen? Die Forschung meint: Gelebte soziale Verantwortung, wirtschaftliche Sicherheit sowie transparentes, evidenzbasiertes Handeln. Unsere offenen Gesellschaften müssen sich ändern. Aber nicht in Richtung Autoritarismus. Stattdessen müssen sie ihre eigene Stärke ausspielen: Vertrauen in die Vielfalt und Ressourcen der Bürger*innen selbst. Das ist nicht Wirtschafts- oder Neoliberalismus, sondern es ist ein neues Miteinander von Staat und Gesellschaft.
Eine Person, die mich inspiriert

Alex von Frankenberg, Jan-Hendrik Goldbeck, Miki Yokoyama, Gerald Schömbs, Frank Sippel, Kai Viehof
Wie man mit privater und unternehmerischer Energie konkret Großes für die Gesellschaft bewegt, haben in den letzten Episoden unseres Podcasts “Das Neue Geben” gleich sechs Gäste gezeigt. Unbedingte Hörempfehlung!
(Übrigens ist es nach meinem Schwerpunkt zum Thema Frauen und Geben eher ein Zufall, dass hier gerade Männer dominieren)
Alex von Frankenberg über Vermögensaufbau, Bitcoin und wie wir Gewinne in Deutschland halten
Jan-Hendrik Goldbeck und Miki Yokoyama über Impact Investing und den Standort Deutschland
Gerald Schömbs über Lifestyle-PR und Kommunikation für gute Ideen
Frank Sippel über nachhaltiges Bauen ohne Überrenditen
Kai Viehof über Erben und den Einsatz für Demokratie
Eine Idee zum Weiterdenken

Privates Geld in der Politik: Ja, nein oder jein?
Was sagt man als Startup (-Gründer) zur aktuellen Politik? Diese Frage habe ich auch dem ZDF Mittagsmagazin beantwortet, das einen dreiminütigen Beitrag in der Serie “MiMa-Menschen” daraus gemacht hat.
In meinen sozialen Medien lese ich so viele öffentliche Wahlempfehlungen wie nie. Mit meinem Startup, der Stiftungsplattform bcause, verfolgen wir natürlich ein gesellschaftliches Ziel: Die Mobilisierung von privaten Beiträgen zur Lösung dringender Probleme. Das ist auch politisch. Also habe ich mal analysiert, was die Wahlprogramme der Parteien eigentlich zum Engagement, Spenden, Stiften und Impact Investing sagen.
Das Resultat? Praktisch nichts.
Die Parteien sehen das Thema ausschließlich durch die Linse der Parteistiftungen und der Parteienfinanzierung: Keine einzige Erwähnung von privaten Stiftungen in den Programmen. CDU/CSU und SPD bestätigen, wie wichtig (ihre) Parteienstiftungen sind, die AfD wettert dagegen. Keine einzige Erwähnung von Spenden, außer bei der Forderung der Linken, Parteispenden zu deckeln. Und Impact Investing bleibt ein Fremdwort.
Private Vermögen sind in den Programmen vor allem Besteuerungsobjekte, mit den üblichen Positionen: CDU/CSU, FDP und AfD dagegen, Grüne und Linke für mehr Steuern (ohne zu sagen, wie), Volt mit mehr Details, SPD enthält sich.
Stattdessen gibt es Aufregung um Parteispenden, von denen (erneut) die CDU/CSU und AfD mehrere Millionen bekommen, die anderen deutlich weniger. Diese machen aber nur einen Bruchteil der Wahlkampffinanzierung aus. Bei der Bundestagswahl 2021 haben die Parteien rund €200 Mio an staatlichen Mitteln bekommen, proportional zu ihrem Abschneiden bei den Wahlen zuvor. Die SPD zum Beispiel €56,1 Mio. Private Spenden entscheiden in Deutschland keine Wahlen, und sie sind transparent. Wir sind meilenweit von dem Einfluss von Milliardären in den USA entfernt, wo Elon Musk mit $250 Mio die Trump-Wahl mitentschieden hat.
Und was ist nun mit meiner persönlichen Wahlentscheidung und -empfehlung? Mit 16 habe ich eine Juso-Gruppe gegründet. Seitdem bin ich SPD-Mitglied. Trotz allem. Zuletzt habe ich oft grün gewählt. Aus Überzeugung. Und immer privat. Immer teilte ich einen progressiven Grundkonsens: Der Staat soll Probleme lösen. Geld verteilen. Reiche sollen mehr dazu beitragen.
Inzwischen habe ich große Zweifel: Der Fokus auf Vermögensungleichheit und Umverteilung fördert eher ein Gegeneinander statt ein Miteinander. Staatliche Finanzierung ist weder besser noch verlässlicher als private. Davon können Öko- und Sozialunternehmen ein Lied singen. Und viele tolle deutsche und US-NGOs haben gerade erfahren, wie ihre Finanzierung kurzfristig von Regierungen gestrichen wurde. Wenn wir Probleme schneller lösen wollen, als sie teurer werden, brauchen wir Unternehmertum - in einem gemeinsamen europäischen Markt, mit massivem Geldeinsatz.
Deshalb wähle ich diesmal Volt. Nicht, weil mich alles überzeugt. Aber weil es Zeit für einen europäischen Aufbruch jenseits der alten Schablonen von rechts oder links, Markt oder Staat ist.
Ich denke, wir brauchen nicht WENIGER, sondern MEHR privates Geld, das unsere Gesellschaft gestaltet - solange es transparent und für alle offen ist. Und ich freue mich auf Diskussion, Kritik und Anregungen der Lesenden dieses Newsletters.
Über den Autor
Felix Oldenburg ist Impulsgeber im Bereich Social Entrepreneurship, Impact-Finanzierung und Online-Innovationen. Vor der Gründung von bcause war er Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen und Vorsitzender von DAFNE (Donors and Foundations Networks in Europe).
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